Schon beim Betreten des kleinen, aber geschichtsträchtigen Städtchens Hino, das heute ein Teil des Großraums Tokio ist, spürt man: Hier ist Geschichte lebendig. Hino mag auf den ersten Blick wie eine ruhige Vorstadt wirken, doch wer sich ein wenig genauer umsieht, entdeckt schnell Hinweise auf eine Zeit, in der Ehre, Loyalität und das Schwert das Leben bestimmten – die Zeit der Shinsengumi.
Das Shinsengumi Hometown History Museum (offiziell: Hino-shi Furusato Hakubutsukan) ist der perfekte Ort, um diese faszinierende Epoche nachzuempfinden. Wir haben uns einen Nachmittag Zeit genommen, um ganz in die Welt der Samurai und insbesondere in das Leben von Kondō Isami, einem der Anführer der Shinsengumi, einzutauchen. Und wir wurden nicht enttäuscht.
- Adresse: Japan, 〒191-0016 Tokyo, Hino, Shinmei, 4 Chome−16−1
- Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 9:30 bis 17:00 Uhr (letzter Einlass 16:30 Uhr) | Montag Ruhetag
- Eintritt: Erwachsene 200 Yen | Kinder 50 Yen
- Weitere Informationen: www.city.hino.lg.jp
Wer waren die Shinsengumi?
Die Shinsengumi waren eine paramilitärische Einheit, die in den letzten Jahren der Edo-Zeit – also während der turbulenten Bakumatsu-Ära in der Mitte des 19. Jahrhunderts – gegründet wurde. Ihr ursprünglicher Zweck war es, im Auftrag des Tokugawa-Shogunats Ordnung in Kyoto zu bewahren, insbesondere gegen aufständische Kräfte, die die Rückkehr der kaiserlichen Macht forderten. Die Mitglieder der Shinsengumi stammten meist nicht aus dem klassischen Samurai-Adel, sondern waren einfache Männer mit großem Kampfgeist – was ihnen auch den Ruf als Rebellen im Dienste der Ordnung einbrachte.
Was die Shinsengumi so besonders machte, war ihr eiserner Ehrenkodex. Sie lebten nach strengen Regeln, bei deren Verstoß der Tod drohen konnte – nicht selten durch Seppuku, den rituellen Selbstmord. Ihre blauen Haori mit dem weißen Muster waren ebenso unverwechselbar wie ihre kompromisslose Haltung. Trotz – oder gerade wegen – ihrer oft brutalen Methoden wurden sie zu einer legendären Truppe, deren Geschichte in Japan bis heute fasziniert. In Manga, Anime, Filmen und Romanen werden sie immer wieder neu erzählt und romantisiert, was ihnen Kultstatus eingebracht hat.
Ein Museum mit Herzblut
Das Museum ist nicht riesig, aber gerade das macht den Charme aus. Es wirkt persönlich, liebevoll kuratiert und mit einem tiefen Respekt vor der Geschichte. Schon im Eingangsbereich begrüßen uns Repliken der charakteristischen blauen Haori-Jacken mit dem weißen Bergkamm-Muster, das die Shinsengumi so unverwechselbar machte. Hier kann man auch tolle Erinnerungsfotos machen.
Die Ausstellung selbst ist in verschiedene Themenbereiche gegliedert und erzählt sowohl die Geschichte der Stadt Hino als auch die der berühmten Söhne dieser Region – allen voran Kondō Isami und Hijikata Toshizō. Leider darf man hier nicht fotografieren, was wirklich schade war. Es gibt Infotafeln, Fotografien, Modelle und vor allem eine Vielzahl originaler oder originalgetreu nachgebauter Artefakte. Besonders beeindruckend fanden wir das Katana, das einst Kondō Isami gehörte – ein schlichtes, aber kraftvolles Symbol für die Werte der Shinsengumi.
Leider stehen die Informationen im Museum nur auf japanisch zur Verfügung. Ihr solltet also unbedingt Google Lens installiert haben, damit Ihr die Erklärungen auch verstehen könnt.
Kondō Isami – Der Mann hinter der Legende
Einen großen Teil der Ausstellung nimmt das Leben von Kondō Isami ein. Geboren in Hino, wuchs er in einem Haus auf, das heute noch besichtigt werden kann – nur wenige Gehminuten vom Museum entfernt. Leider war dieses bei unserem Besuch geschlossen. Im Museum selbst erfährt man viel über seine Kindheit, seine Ausbildung im Schwertkampf, seinen Aufstieg zum Kommandanten der Shinsengumi und sein tragisches Ende. Besonders eindrücklich ist ein Diorama, das eine Szene aus dem Kyoto der Bakumatsu-Zeit zeigt, als die Shinsengumi inmitten politischer Wirren für Ordnung sorgten – oder zumindest das versuchten.
Kondō Isami wird hier nicht nur als Kämpfer dargestellt, sondern als Mensch: mit Stärken, Schwächen, Idealen und Zweifeln. Diese menschliche Dimension hat uns besonders berührt, denn sie macht die Geschichte greifbar und nachvollziehbar.
Hijikata Toshizō – Der Dämon der Shinsengumi
Neben Kondō Isami ist Hijikata Toshizō die zweite zentrale Figur innerhalb der Shinsengumi – und nicht weniger faszinierend. Geboren in einer Bauernfamilie in Musashi (heute Teil von Tokio), arbeitete er sich durch Entschlossenheit, Disziplin und Talent zum Vizekommandanten der Einheit hoch. Sein Spitzname „Dämonischer Vizekommandant“ war dabei nicht zufällig gewählt: Hijikata galt als kompromisslos, manchmal sogar grausam, wenn es um die Einhaltung der Regeln ging. Doch hinter dieser harten Schale verbarg sich ein Mann mit klarem moralischen Kompass, großem Verantwortungsgefühl und tiefer Loyalität gegenüber Kondō und der Idee der Shinsengumi.
Im Museum wird Hijikata mit eigenen Ausstellungselementen gewürdigt – darunter auch eine Replik seines berühmten Schwerts und einige persönliche Gegenstände. Besonders eindrucksvoll ist eine Abschrift seines Gedichtbandes, den er in jungen Jahren schrieb. Ja, Hijikata war nicht nur ein harter Krieger, sondern auch ein Poet. Seine Verse geben Einblicke in seine Gedankenwelt, in seine Zweifel, Träume und seine tiefe Trauer über den Wandel der Zeit.
Hijikata überlebte Kondō Isami nur um wenige Monate. Auch er fiel im Kampf gegen die kaiserlichen Truppen, im verzweifelten Versuch, das Erbe der Shinsengumi zu retten. Sein Tod markierte symbolisch das Ende der Samurai-Tradition – doch sein Andenken lebt in Hino und in ganz Japan bis heute weiter.
Interaktive Elemente und moderne Technik
Was uns positiv überrascht hat: Das Museum setzt nicht nur auf klassische Ausstellungsmethoden, sondern auch auf interaktive Elemente. Es gibt digitale Bildschirme mit kurzen Videos, eine virtuelle Karte der wichtigsten Orte der Shinsengumi in Japan und Ihr könnt Euch sogar in den Kampftechniken der Shinsengumi ausprobieren.
In der oberen Etage des Museums gibt es wechselnde Ausstellungen, die meist etwas mit der Geschichte der Stadt Hino zu tun hat. Also lasst Euch überraschen, was Euch hier erwartet.
Fazit – Ein Muss für Japan- und Geschichts-Fans
Unser Besuch im Shinsengumi Hometown History Museum war eine Reise in eine andere Zeit. Wir haben viel gelernt, wurden berührt, überrascht und inspiriert. Wer sich für die Geschichte Japans interessiert, für die Samurai oder einfach für spannende Geschichten aus der Vergangenheit, ist hier genau richtig.
Das Museum mag klein sein, aber sein Inhalt ist groß. Es zeigt, wie lokale Geschichte Teil eines größeren Ganzen wird – und wie ein einzelner Ort dazu beitragen kann, dass die Erinnerung an eine turbulente, aber faszinierende Epoche lebendig bleibt.
Ob als Tagesausflug von Tokio oder als Teil einer Reise durch die historischen Stätten Japans – Hino und das Shinsengumi-Museum sind definitiv einen Besuch wert. Packt die Kamera ein, bringt ein wenig Neugier mit, und lasst Euch von der Geschichte mitreißen. Ihr werdet es nicht bereuen!
- Hier findet Ihr alle meine Tipps für Hino
- Wir waren auch am Hosenji Tempel unterwegs, der sehr sehenswert ist
- Mehr über die Shinsengumi erfahrt Ihr unter anderem im Hana no Mai Hatago Chaya Ikedaya in Kyoto
- Noch auf unserer Bucket-Liste steht der Goryōkaku Park in Hakodate. Hier fand die letzte Schlacht der Shinsengumi statt
- Die Shinsengumi beeinflussen auch immer noch die Literatur. Hier findet Ihr einige Bücher*
- Finde eine tolle Übernachtung in Hino*
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