Ihr seid in Tokio und sucht einen Ort zwischen all dem Glitzer und Großstadttrubel, an dem sich Geschichte, Macht und Architektur auf beeindruckende Weise vereinen. Dann solltet Ihr unbedingt das Parlamentsgebäude in Tokio, auch bekannt als Kokkai-gijidō, besuchen. Auch wenn es eine eher außergewöhnliche Sehenswürdigkeit ist, ein Besuch hier und die Teilnahme an der Führung lohnt sich auf jeden Fall, denn sie bietet noch einmal einen ganz anderen Blick auf Japan.
Wo genau liegt das Parlamentsgebäude?
Das Parlamentsgebäude steht im Stadtteil Nagatachō, mitten im Herzen von Tokio, unweit der Tokyo Station und des Kaiserparks. Es ist der politische Mittelpunkt Japans – vergleichbar mit dem Bundestag in Berlin. Direkt nebenan liegen das Büro des Premierministers, Ministerien, die Nationalbibliothek und viele politische Institutionen. Wer sich für die japanische Politik oder einfach für monumentale Architektur interessiert, ist hier goldrichtig.
Die nächstgelegene U-Bahn-Station ist „Kokkai-gijidō-mae“ (Parlamentsgebäude-Station), die direkt mit der Marunouchi- und der Chiyoda-Linie verbunden ist. Auch die Station Nagatachō (Yurakucho-, Namboku- und Hanzomon-Linie) ist fußläufig erreichbar.
Ein Blick auf die Geschichte – Das Parlamentsgebäude von 1936 bis heute
Das Gebäude, wie Ihr es heute seht, wurde 1936 fertiggestellt. Der Bau war ein Mammutprojekt, das sich über mehr als 17 Jahre erstreckte – von der Grundsteinlegung 1920 bis zur Fertigstellung. Zuvor tagte das Parlament in provisorischen Holzbauten, die nicht gerade repräsentativ waren. Das neue Parlamentsgebäude sollte ein Zeichen für Stabilität, Modernität und nationale Identität setzen – in einer Zeit, in der Japan sich zunehmend industrialisierte und als Weltmacht etablieren wollte.
Die Architektur ist eine spannende Mischung aus westlicher Monumentalität und japanischer Zurückhaltung. Der zentrale Turm, der sich 65 Meter in die Höhe reckt, ist das markanteste Element. Er erinnert entfernt an europäische Parlamentsgebäude, aber mit einer ganz eigenen Note. Alles, was Ihr im Gebäude seht, stammt übrigens ausschließlich aus japanischer Produktion – sogar der Marmor, das Holz und die Glasfenster.
Was gibt’s zu sehen? – Der Rundgang durchs Parlamentsgebäude
Ein Besuch im Parlamentsgebäude ist nicht einfach nur ein schneller Fotostopp. Wenn Ihr wirklich tief in das Gebäude eintauchen möchtet, dann solltet Ihr auf jeden Fall an der geführten Tour durch das Parlamentsgebäude teilnehmen. Denn hier erfahrt Ihr so viel mehr über das Gebäude und seine Geschichte.
Um an der Tour teilzunehmen solltet Ihr Euch vorab anmelden. Alle Informationen sowie das Antragsformular findet Ihr auf der offiziellen Webseite des Parlamentsgebäude. Es gibt auch Führungen in englischer Sprache, Ihr müsst Euch also keine Sorgen um Sprachprobleme machen. Und die Tour ist kostenlos. Eintritt muss nicht gezahlt werden.
Nachdem wir uns durch verschiedene Gänge des Gebäudes geschlängelt haben, wartete dann auch schon das erste Highlight der Führung auf uns: Das Repräsentantenhaus (Shūgiin). Der Plenarsaal ist ein echter Blickfang: rote Teppiche, dunkles Holz, massive Stuhlreihen – fast wie in einem alten Theater. Hier tagen die Abgeordneten und diskutieren über Gesetze, Steuern und politische Richtungen.
Während der Führung erfuhren wir mehr darüber, wie die Sitzordnung aufgebaut ist, welche Parteien wo sitzen und wie die Debatten ablaufen. Und hier durften wir auch zum ersten Mal Fotos machen und uns wirklich alles in Ruhe anschauen. Dazu gab es verschiedene Erläuterungen und Anekdoten. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass der Kaiser in diesem Plenarsaal zwar eine eigene Empore hat, die aber bisher noch nie genutzt wurde, da der Kaiser immer nur das Oberhaus besucht?
Nachdem wir alles auf uns wirken lassen konnten, ging es weiter zu den kaiserlichen Räumen, wo jede Menge Prunk auf uns wartete. Zuerst stand das Zimmer auf dem Plan, in dem sich die kaiserliche Familie aufhält, bevor sie einer Sitzung beiwohnt.
Und dann kam das Zimmer, in dem sich der Kaiser selbst auf die Sitzungen vorbereitet oder sich zwischen den einzelnen Sitzungen ausruht und das auch bis heute noch von diesem genutzt wird.
Ein beeindruckendes Gefühl – und das nicht nur wegen des wunderschönen Raumes. Wenn man bedenkt, welche Entscheidungen in der Geschichte Japans hier ihren Anfang nahmen, ist man wirklich berührt. Und ich war überrascht, dass wir auch dort Fotos machen durften.
Nun ging es weiter in die zentrale Eingangshalle, die wir von der oberen Empore bestaunen durften. Der Raum ist riesig und beeindruckend – mit hohen Decken, Marmorsäulen und einer Atmosphäre, die sofort Respekt einflößt.
Ein besonderes Highlight der Halle sind die imposanten Statuen dreier bedeutender Männer: Itagaki Taisuke, Ōkuma Shigenobu und Itō Hirobumi – allesamt Schlüsselfiguren bei der Entstehung der Meiji-Verfassung. Ihre Statuen stehen jeweils in einer Ecke der Halle und verleihen dem Raum eine feierliche Atmosphäre. Doch was sofort ins Auge sticht: eine der vier Ecken ist leer. Statt einer weiteren Statue findet Ihr dort nur einen Sockel – ohne Inhalt.
Warum das so ist? Darüber wird seit Jahrzehnten spekuliert. Manche meinen, man konnte sich schlichtweg nicht auf eine vierte Persönlichkeit einigen. Andere sehen darin eine tiefere Symbolik: Vielleicht soll die Leere zeigen, dass Politik nie vollendet ist, sondern sich ständig weiterentwickeln muss. Es gibt auch die Theorie, man wollte mit dem freien Platz zukünftige Politiker dazu anspornen, sich einen Platz in der Geschichte zu verdienen. Und eine weitere, ganz pragmatische Interpretation lautet: Man wollte vermeiden, dass eine Statue mit dem Rücken zum Kaiserpalast steht – ein klares No-Go in der japanischen Etikette.
Da dort gerade eine Sitzungvorbereitet wurde, konnten wir leider nur einen kurzen Blick in den Sitzungssaal des Oberhauses (Sangiin) werfen und leider auch kein Foto machen. Aber auch dieser Saal ist beeindruckend, unterscheidet sich dabei aber leicht im Stil. Der Teppich ist hier grün statt rot, und die Ausstattung etwas schlichter. Dennoch spürt man auch hier die Macht, die dieser Ort ausstrahlt. Besonders spannend: In einem Seitengang könnt Ihr historische Fotografien aus verschiedenen Epochen betrachten – vom Nachkriegsparlament bis zu aktuellen Debatten.
Dann hieß es leider auch schon wieder Abschied nehmen. Doch zuvor machten wir noch einen kleinen Spaziergang durch den Hof und Garten des Parlamentsgebäude. Und wir durften auch von außen Fotos vom Gebäude machen, was ansonsten auf Grund der Einzäunung nicht möglich ist. Ein gelungener Abschluss unserer Tour.
Architektur, Symbolik und Stil
Das Parlamentsgebäude ist nicht einfach nur ein Ort für politische Entscheidungen – es ist ein Symbol. Die Architektur erzählt viel über Japans Selbstverständnis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die breite Treppe am Haupteingang, die massiven Pfeiler, der hohe Turm – all das soll Stärke und Unverrückbarkeit ausstrahlen. Gleichzeitig fließen in viele Details japanische Elemente ein. Die Deckenmalereien zeigen Kirschblüten, Kraniche und traditionelle Muster. Auch das verwendete Material stammt aus allen Regionen Japans – ein symbolischer Akt, der die Einheit des Landes ausdrückt.
Besonders bemerkenswert ist die Kuppel im Inneren des Turms. Wenn Ihr nach oben blickt, seht Ihr ein wunderschön gestaltetes Glasfenster, das von Tageslicht durchflutet wird. Es symbolisiert Transparenz – zumindest im idealen Sinne politischer Prozesse.
Wissenswertes für Euren Besuch
Damit Ihr das Beste aus Eurem Besuch herausholen könnt, kommen hier ein paar praktische Tipps:
Anmeldung und Öffnungszeiten
Eine spontane Besichtigung ist leider nicht möglich – Ihr müsst Euch vorher anmelden. Die Führungen sind kostenlos, finden aber nur zu bestimmten Uhrzeiten statt. Die Anmeldung erfolgt über die offizielle Webseite des japanischen Parlaments oder über das Tourismusbüro in Tokio. Alternativ könnt Ihr Euch auch über Euer Hotel erkundigen – viele helfen gerne weiter.
Wir waren übrigens off-season in Tokio unterwegs und konnten uns spontan noch für die nächste englischsprachige Führung vor Ort registrieren. Wenn Ihr also gar nicht mit der Voranmeldung klar kommt, schaut einfach mal direkt am Parlamentsgebäude vorbei. Dort wird Euch gerne geholfen.
Die Führung ist übrigens komplett kostenlos. Ihr müsst also keinen Eintritt zahlen.
Sprache
Die meisten Führungen sind auf Japanisch, aber es gibt auch englischsprachige Führungen, an denen Ihr teilnehmen könnt. Dann müsst Ihr Euch keine Sorge um Sprachprobleme gemacht. Wir wurden auch von mehreren Tourguides unterwegs, so dass man immer direkt jemand für Rückfragen zur Verfügung hatte.
Sicherheit
Wie an allen Regierungsgebäuden in Japan gilt: strenge Sicherheitskontrollen. Plant also ein bisschen Extra-Zeit ein und lasst große Taschen am besten im Hotel. Alle Taschen werden kontrolliert und Ihr müsst auch durch einen Metalldetektor gehen, bevor Ihr das Parlamentsgebäude betreten dürft. Die Tourguides waren zudem nicht nur zu unserer Betreuung dabei, sondern auch um darauf zu achten, dass nichts schief läuft und sich jeder ordentlich verhält.
Fotos
Generell gilt wie in den meisten Regierungsgebäuden Foto-Verbot, Fotos zu machen ist nur dann gestattet, wenn der Tourguide dies erlaubt. Dann haben diese aber sogar Fotos von uns und auch von den anderen Teilnehmern gemacht. Es ging alles ziemlich locker war. Ich weiß allerdings nicht, was passiert wenn jemand außerhalb der erlaubten Zonen fotografiert und empfehle nur, die zu unterlassen. Dann wir der Besuch ein echter Erfolg.
Lohnt sich ein Besuch im Parlamentsgebäude?
Absolut! Auch wenn Politik vielleicht nicht zu Euren Lieblingsthemen gehört, ist das Parlamentsgebäude in Tokio eine Erfahrung, die Ihr so schnell nicht vergesst. Die Mischung aus Geschichte, Architektur, Symbolik und echter politischer Macht ist einmalig. Und ganz nebenbei bekommt Ihr einen Einblick in eine Seite Japans, die Touristen oft verborgen bleibt.
Was liegt drumherum?
Nagatachō ist nicht nur politisches Zentrum, sondern auch angenehm ruhig im Vergleich zum sonst so lauten Tokio. Wenn Ihr nach dem Besuch noch ein bisschen durch die Gegend spazieren wollt, empfehlen wir:
- Hie-Schrein: Ein wunderschöner, eher unbekannter Schrein mit markanten roten Torii-Toren – ideal für eine kurze Auszeit.
- Akasaka Palace: Das prunkvolle Gästehaus der japanischen Regierung – nur wenige Gehminuten entfernt.
- Chidorigafuchi: Ein traumhafter Spazierweg am Wasser entlang, besonders zur Kirschblütenzeit ein absolutes Highlight.
- National Diet Library: Für alle, die tiefer eintauchen wollen – eine der größten Bibliotheken Japans mit spannenden Ausstellungen.
Fazit – Ein Ort mit Gewicht
Wenn Ihr Tokio wirklich erleben wollt, dann gehört das Parlamentsgebäude auf Eure Liste. Nicht wegen der Fotos (auch wenn das Gebäude ein perfektes Fotomotiv ist), sondern wegen des Gefühls, Teil von etwas Bedeutendem zu sein. Der Ort hat Gewicht – im architektonischen und im politischen Sinn.
Der Besuch ist kostenlos, spannend und gibt Euch einen neuen Blickwinkel auf das Land, das oft nur durch seine Popkultur, Natur und Tempel definiert wird. Ihr taucht ein in das Herz der japanischen Demokratie – und das ist mindestens genauso faszinierend wie ein Besuch in Shibuya oder Asakusa.
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