Wenn Ihr zu Beginn der Kirschblütenzeit in Tokio unterwegs seid und Lust habt, ein wenig abseits der ausgetretenen Pfade ein echtes, lebendiges Stück japanischer Kultur zu erleben, dann ist das Daruma Festival im Jindai-ji Tempel in Chōfu genau das Richtige für Euch. Hier gibt’s nicht nur reichlich traditionelle Atmosphäre, sondern auch ein kunterbuntes Fest rund um eine der kuriosesten und zugleich bedeutungsvollsten Figuren der japanischen Volksreligion: den Daruma.
Wir nehmen Euch mit auf einen Tagesausflug nach Chōfu – in eine Welt voller roter Kugelpuppen, dampfender Streetfood-Stände, fliegender Glückssegen und jahrhundertealter Tempeltradition – und jeder Menge Regen. Denn bei uns hat es die ganze Zeit Dauerregen gegeben, so dass das Daruma Festival im Jindai-ji Tempel für uns buchstäblich ins Wasser gefallen ist.
Aber einen kleinen Blick darauf konnten wir uns trotzdem nicht entgehen lassen.
Ein bisschen Hintergrund: Was ist überhaupt ein Daruma?
Bevor wir ins Getümmel des Festivals eintauchen, solltet Ihr wissen, worum sich bei diesem Fest eigentlich alles dreht. Der Daruma ist eine Figur, die in Japan fast jeder kennt. Meist rot, rund und mit großen weißen Augen, sieht sie ein bisschen aus wie ein übergewichtiger, bärtiger Mönch ohne Beine – was ziemlich genau auch dem historischen Vorbild entspricht: Bodhidharma, dem Gründer des Zen-Buddhismus.
In Japan steht der Daruma sinnbildlich für Zielstrebigkeit, Ausdauer und Erfolg. Wenn Ihr einen neuen Vorsatz oder ein konkretes Ziel habt, malt Ihr dem Daruma ein Auge aus und stellt ihn an einen Ort, wo Ihr ihn regelmäßig seht – als Erinnerung. Wenn das Ziel erreicht ist, bekommt er sein zweites Auge. Und wenn das Jahr vorbei ist, werden die alten Daruma verbrannt, um Platz für neue Wünsche zu machen. Genau darum geht es beim Daruma Festival.
Der Ort des Geschehens: Der Jindai-ji Tempel in Chōfu
Chōfu liegt etwa 30 Minuten westlich von Shinjuku und ist ganz bequem mit der Keio Line zu erreichen. Die Station heißt Chōfu oder alternativ „Jindaiji Iriguchi“, wenn Ihr mit dem Bus unterwegs seid.
Vom Bahnhof aus nehmt Ihr am besten den Bus, um den Jindai-ji Tempel zu kommen. Wenn Ihr zum Daruma Festival wollt, dann müsste Ihr Euch einfach an die Busse mit dem kleinen Daruma im Display halten. Diese fahren Euch direkt zum Temple und später auch wieder zurück zum Bahnhof.
Sobald Ihr aus dem Bus aussteigt, merkt Ihr es sofort: die Atmosphäre hier ist eine völlig andere als im hektischen Zentrum Tokios – eher dörflich, entspannt und grün. Und genau hier steht er: der Jindai-ji Tempel – der zweitälteste buddhistische Tempel Tokios (nach dem Senso-ji Tempel in Asakusa), gegründet im Jahr 733.
Der Tempel ist eingebettet in eine malerische Umgebung mit alten Bäumen, kleinen Brücken und plätschernden Bächen. Direkt nebenan findet Ihr zahlreiche Soba-Restaurants, für die das Viertel ebenfalls berühmt ist. Aber dazu später mehr.
Wann findet das Festival statt?
Das Daruma Festival, oder auf Japanisch „Daruma Ichi“, findet jedes Jahr am 3. und 4. März statt. Es ist eine Mischung aus buddhistischer Segenszeremonie, Flohmarkt, Volksfest und kulturellem Happening – das Ganze mit einer Menge Herzblut und viel, viel Rot.
Egal, ob es unter der Woche oder am Wochenende liegt: Die Straßen rund um den Tempel sind voll von Einheimischen und Touristen, von Kindern mit Daruma-Masken und älteren Herren, die im Kimono Sake schlürfen. Nicht einmal der starke Regen konnte die Einheimischen davon abhalten, zum Jindai-ji Tempel zu kommen.
Der erste Eindruck: Ein rotes Meer aus Daruma – unter Regenhüllen
Wenn Ihr den Tempelvorplatz betretet, wird sofort klar, was hier die Hauptrolle spielt: Überall seht Ihr rote Daruma-Figuren in allen Größen. Von winzigen Mini-Daruma, die gerade mal in die Hosentasche passen, bis hin zu riesigen Exemplaren, die so groß sind wie ein Medizinball. Die meisten sind rot, aber Ihr findet auch goldene, weiße, grüne und sogar pinke Versionen – jede Farbe hat dabei ihre eigene Bedeutung.
Die Stände sind liebevoll dekoriert, viele Verkäufer tragen traditionelle Kleidung, und es wird nicht geschrien oder gedrängelt – alles läuft erstaunlich geordnet und freundlich ab. Wer mag, kann sich hier stundenlang umsehen, Fragen stellen (meist klappt das mit einem Lächeln und ein paar Brocken Japanisch) und natürlich: seinen neuen persönlichen Daruma kaufen.
Leider waren bei unserem Besuch die meisten Daruma abgedeckt, um sie vor dem Regen zu schützen. Trotzdem waren die Verkäufer – typisch japanisch – sehr freundlich und hilfsbereit. Wenn es nicht so nass und kalt gewesen wäre, hätten wir uns hier richtig wohl gefühlt.
Einen eigenen Daruma kaufen – ein kleines Ritual
Wenn Ihr Euch für einen Daruma entscheidet, kauft Ihr nicht einfach ein Souvenir – Ihr nehmt aktiv an einem spirituellen Ritual teil. Die meisten Besucher wählen ihre Figur nach Größe und Farbe. Dann wird oft ein Wunsch oder ein Ziel formuliert: ein bestandener Uni-Test, ein erfolgreicher Geschäftsabschluss, Gesundheit, Liebe oder ein neues Haus.
Ihr malt dann zuhause das erste Auge aus und stellt den Daruma an einen gut sichtbaren Ort. Und wenn es klappt mit dem Wunsch, kommt das zweite Auge dazu. So gesehen ist ein Daruma eine Art buddhistisches Vision Board im Miniformat.
Viele Stände auf dem Festival bieten außerdem personalisierte Beschriftungen an. Ihr könnt Euren Namen, Euer Ziel oder einfach ein Segenswort direkt auf Euren Daruma pinseln lassen – oft von älteren Damen und Herren mit beeindruckender Kalligrafie.
Die große Zeremonie: Alte Daruma zurückgeben und segnen lassen
Ein besonders bewegender Teil des Festivals ist die Rückgabe der alten Daruma. Wer seinen Wunsch erfüllt bekommen hat, bringt seinen alten Daruma zum Tempel zurück. Dort gibt es eine große Sammelstelle, wo die Figuren in Körben oder auf großen Haufen abgelegt werden. Später werden sie in einer rituellen Feuerzeremonie verbrannt – eine Art spiritueller Abschluss und Neuanfang zugleich.
Mönche in orangefarbenen Gewändern segnen die neuen Figuren und sprechen Gebete für die Wünsche ihrer Besitzer. Der Duft von Räucherwerk liegt in der Luft, begleitet von Glockenklängen und manchmal sogar Taiko-Trommeln. Es ist ein Moment der Stille inmitten des geschäftigen Treibens – eindrucksvoll, berührend und absolut authentisch.
Die Warteschlange für dieses Ritual ist traditionell sehr lange. Wenn Ihr Euren Daruma ebenfalls segnen lassen möchtet, dann solltet Ihr auf jeden Fall etwas Zeit einplanen. Selbst im strömenden Regen war die Wartezeit 1 Stunde. Und alle warteten geduldig unter ihren Regenschirmen darauf, an die Reihe zu kommen.
Streetfood und Snacks – Schlemmen im Schatten der Pagode
Was wäre ein japanisches Festival ohne die passenden Leckereien? Rund um den Jindai-ji Tempel findet Ihr zur Zeit des Daruma Festivals zahlreiche Streetfood-Stände – die sogenannten Yatai. Hier gibt’s alles, was das hungrige Herz begehrt: von knusprigem Taiyaki (mit roter Bohnenpaste gefüllte Fischwaffeln) über dampfende Yakisoba und Okonomiyaki bis hin zu gebratenem Tintenfisch und süßen Dango-Spießen.
Besonders beliebt bei Besuchern ist auch das lokale Soba. In Chōfu gilt das Wasser als besonders rein, was sich im Geschmack der Buchweizennudeln widerspiegeln soll. Also unbedingt einkehren in eines der traditionellen Soba-Restaurants gleich beim Tempel – viele davon sind hübsche Holzhäuschen mit kleinen Gärten und jahrhundertealter Geschichte.
Wie schon geschrieben hat es bei unserem Besuch in Strömen geregnet. Und obwohl mir die armen Leute in den Yatai wirklich sehr leid getan haben, haben wir uns für ein Mittagessen im Aokiya, einem kleinen Soba Restaurant, entschieden. Wir waren so durchnässt, dass uns die Besitzerin erstmal unter der warmen pustenden Klimaanlage platziert. Das fanden wir sehr nett, denn so konnten wir wenigstens ein bisschen trocknen. Und auch das Essen war wirklich absolut lecker. Von mir gibt es hier also eine klare Empfehlung.
Workshops, Glückslose und andere Entdeckungen
Neben den klassischen Verkaufsständen und Essensbuden gibt es auch zahlreiche kleine Attraktionen, die das Festival so besonders machen. Ihr könnt an Workshops teilnehmen – etwa zur Herstellung eigener Mini-Daruma oder zum Schreiben von Wunschzetteln (Ema). Einige Stände bieten traditionelle Spiele an, andere verkaufen handgemachte Amulette oder Räucherwerk.
Es gibt auch ein Glücksrad, an dem Ihr – ganz nach dem Prinzip von „Omikuji“, dem traditionellen Wahrsagesystem – ein Los ziehen könnt. Mal gibt’s einen kleinen Preis, mal einfach nur ein „Großes Glück“ auf einem Stück Papier. Alles natürlich mit einem Augenzwinkern.
Tipps für Euren Besuch
Wenn Ihr selbst einmal das Daruma Festival erleben wollt, hier ein paar praktische Tipps:
- Kommt früh: Gerade am ersten Tag ist viel los. Morgens zwischen 9 und 11 Uhr ist es meist noch relativ ruhig.
- Bargeld nicht vergessen: Die meisten Stände akzeptieren keine Karten. Am besten vorab in Chōfu oder Shinjuku Geld abheben.
- Wetterfeste Kleidung: Im März kann es noch recht frisch sein, manchmal nieselt es oder es schüttet, wie in unserem Fall – ein Schirm oder eine Regenjacke sind also nicht verkehrt.
- Respekt zeigen: Auch wenn viel fotografiert wird – fragt im Zweifel nach, bevor Ihr Nahaufnahmen von Mönchen oder Zeremonien macht.
- Soba essen! Wirklich, lasst Euch das nicht entgehen.
Fazit: Ein kleines Fest mit großem Herz
Das Daruma Festival am Jindai-ji Tempel ist kein pompöses Großevent wie etwa das Gion Matsuri in Kyoto – und gerade das macht seinen Charme aus. Hier erlebt Ihr eine tief verwurzelte Tradition in einem entspannten, familiären Umfeld. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, in die japanische Kultur einzutauchen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und vielleicht sogar ein bisschen Glück für das eigene Leben mit nach Hause zu nehmen.
Ob Ihr nun mit einem neuen Daruma zurückfahrt oder einfach nur satt, glücklich und inspiriert – dieses Festival werdet Ihr so schnell nicht vergessen.
- Das Daruma-Festival ist ein perfekter Tagesausflug von Tokio aus
- Wir haben das Festival während unserer Tokio-Reise besucht
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